Call for Papers: Sammelband Akademisches Lesen. Medien, Praktiken, Bibliotheken

Hg. von Stefan Alker-Windbichler, Axel Kuhn, Benedikt Lodes und Günther Stocker

Lesen, verstanden als das visuelle Aufnehmen und kognitive Verarbeiten schriftlicher Informationen durch ein Individuum, ist die Grundlage akademischer Wissenserzeugung. Neben dem sequenziellen Lesen von kontinuierlichen Texten spielen in akademischen Kontexten auch andere Lesepraktiken eine entscheidende Rolle: Suchendes, orientierendes, überfliegendes und punktuelles Lesen zählen ebenso dazu wie das Erfassen und Verarbeiten diskontinuierlicher Textsorten wie Tabellen, Kataloge, Indizes oder Register. Dazu kommen zu lesende Ergebnisseiten von Suchmaschinen oder Datenbanken sowie die Anordnung von Buchaufstellungen in Bibliotheken. Diskontinuierliche Lesestrategien zur schnellen Erfassung von Informationen dienen der Identifizierung von relevanten Texten und Textabschnitten und bilden dadurch häufig die Vorstufe eines kontinuierlichen Tiefenlesens, welches erst ein ganzheitliches Verstehen und Analysieren von schriftlich codierten Wissenskomplexen ermöglicht.

Akademisches Tiefenlesen zeichnet sich wiederum durch spezifische Leistungen und Anforderungen aus. Erstens müssen Aussagen in Texten identifiziert und zusammengeführt wer-den. Dabei müssen Leistungen der Beschreibung, des Exzerpierens und des Referenzierens von Informationen erbracht werden. Zweitens müssen die extrahierten Aussagen zu vorhandenen Wissensbeständen aus anderen Texten in Beziehung gesetzt werden, um größere Zusammenhänge zu erschließen und assoziative Wissensbestände zu erzeugen. Dabei sind Leistungen der Kategorisierung, Systematisierung, Kontrastierung und Kombination von Informationen zu erbringen. Drittens müssen gelesene Aussagen und ihre Verknüpfungen in ihrer Bedeutung bewertet werden. Hierzu müssen Aussagen als bedeutend markiert, durch eigenes Wissen ergänzt, in Kontexte eingeordnet und kommentiert werden. Und viertens müssen die gewonnenen Erkenntnisse in sich logisch strukturiert als neuer Wissensbestand zusammengestellt und erinnert werden.

Wissenschaftliche Bibliotheken nehmen als Informationsversorger der Wissenschaft nachhaltigen Einfluss auf die Möglichkeiten, Praktiken und Medien des akademischen Lesens. Gleichzeitig stehen bibliothekarische Angebote in Abhängigkeit zu den dynamischen Entwicklungen des Publikations- und Informationsmarkts.

All die genannten Dimensionen des akademischen Lesens sind von dem Digitalisierungsschub der letzten Jahre tiefgreifend betroffen, dessen konkrete Konsequenzen für Studierende, Lehrende und Forschende erst noch zu analysieren sind.

Der Band Akademisches Lesen versucht erstmals, dieses Geflecht aus institutionellen Voraussetzungen, individueller Praxis sowie medialen und wissenstheoretischen Grundlagen in einem systematisch gegliederten Sammelband darzustellen.

Einzureichende Beiträge sollen sich mit den folgenden Themen und Fragestellungen beschäftigen:

I Lesepraktiken in Forschung und Lehre

I.1 Lesen in wissenschaftlichen Erkenntnis- und Lernprozessen

I.2 Aufbau akademischer Lesekompetenzen

I.3 Suchen, finden und orientieren in exponentiell wachsenden Informationsangeboten

Wie sind Lesepraktiken in verschiedenen Fächerkulturen und ihrem Mediengebrauch zu unterscheiden? Welche Arten des Lesens und welche umgebenden Praktiken (Schreiben, Textarbeit, Diskurs etc.) werden zum Einsatz gebracht? Welche Bedeutung hat das Lesen als Grundlage intensiver Lernprozesse während des Studiums? Wie werden akademische Lesekompetenzen aufgebaut oder vermittelt?

II Akademische Lesemedien

II.1 Textsorten und Textformate

II.2 Medienformate

II.3 Sammlungen

Mit welchen unterschiedlichen Textformen und -sorten ist akademisches Lesen konfrontiert? In welchen Lesemodalitäten werden diese unterschiedlichen Textsorten bearbeitet? In welchen Medienformaten werden Informationen bereitgestellt? Welche Konsequenzen für den individuellen Leseerfolg sind mit Formaten und individuellen Präferenzen verbunden? In welchem Verhältnis stehen Lesekompetenzen und digitale Kompetenzen? Wie findet Orientierung in Sammlungen wie Bibliotheksbeständen statt? Wie wirken sich unterschiedliche Medienformen bei der Orientierung, dem Suchen, Finden und Evaluieren von Informationen aus?

III Wissenschaftlicher Informationsmarkt und Bibliotheksbestände

III.1 Wissenschaftliches Publizieren

III.2 Digitale Informationsmärkte

III.3 Bibliotheksbestände und Erwerbspolitik

Welche Entwicklungen lassen sich für Publikationen, Publikationsmarkt und in der Folge auch Erwerbungsmodelle und Bestände von Bibliotheken beschreiben? Welche Effekte auf die akademische Wissensbildung durch Lesen lassen sich darauf zurückführen?

IV Leseräume und -einrichtungen

IV.1 Die Bibliothek als Lern- und Forschungsraum

IV.2 Bibliotheksmanagement

Welche Rolle spielen Bibliotheken als Orte des Lesens, welche Rolle könnten sie spielen? Welchen Einfluss haben räumliche Faktoren auf das Lesen? Welche Wirkung auf die Lesepraxis haben Bibliotheken über die Gestaltung von Lesesälen hinaus?

Als Beiträge sind sowohl Überblicksdarstellungen als auch Ergebnisse laufender Forschungsprojekte willkommen. Sie sollen je nach inhaltlichem Fokus einen Umfang von 30.000 bis max. 50.000 Zeichen haben. Alle Beiträge werden einem Double-Blind Peer Review Verfahren unterzogen und erscheinen gedruckt und open access in der Reihe „Bibliothek im Kontext“ der Vienna University Press im Verlag Vandenhoeck&Ruprecht.

Bitte senden Sie Abstracts im Umfang von max. 500 Wörtern und eine Kurzbiographie bis 28. Februar 2021 an Dr. Stefan Alker-Windbichler (stefan.alker-windbichler@univie.ac.at). Die Frist für die Abgabe der angenommenen Beiträge ist der 3. September 2021.